Internationales Talent: Valeriia Maloshky findet in Leingarten bei Heilbronn eine sportliche Heimat

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Valeriia Maloshky ist seit 2023 Mitglied im SSV Leingarten. Die gehörlose und aus der Ukraine geflüchtete Gewehrschützin findet dort Unterstützung für ihre sportliche Karriere.

Ulrich Luithle betreut Valeriia dort im schießsportlichen Bereich und unterstützt sie bei der Integration in das Vereinsleben. „Es ist nicht immer einfach sich mit ihr zu verständigen, aber wir trainieren zusammen und wir verstehen uns auch ohne Sprache.“ Auch die Integration in den Verein funktioniert gut. Es helfen ihr auch andere Vereinsmitglieder.

Valeriia selbst packt bei Veranstaltungen wie zum Beispiel beim Firmenschießen mit an. Sie hilft, soweit es ihr möglich ist mit und wird behandelt wie jedes andere Mitglied auch. Das sieht Ulrich als einen Teil der Integration. Ihm ist es wichtig, Valeriia zu helfen, was für ihn natürlich ein großer Zeitaufwand bedeutet. Aber er hat er sehr viel Freude dabei, seine Erfahrungen an sie weitergeben zu können.

Da für Valeriia alles neu ist, wird Ulrich sie für den Anfang auf jeden Wettkampf begleiten, bis sie sich auskennt. Zurzeit arbeiten die beiden an ihrem Luftgewehr-Anschlag und sobald es draußen wärmer wird, beginnen sie mit dem KK-Training. „Es macht echt viel Spaß mit ihr und sie hat Talent.“

Ulrich opfert sehr gerne seine Zeit für sie. Er war auch bei der 15. Europameisterschaft der Gehörlosen in Poing bei München vom 26. November bis 2. Dezember dabei und hat ihren Wettkampf miterlebt. Vor der EM hatten beide 14 Tage lang täglich trainiert, um ihre Leistungen zu verbessern. Am 4. Februar fuhren sie zusammen zum Bundesliga-Finale, um dort Kontakte zu knüpfen und die Veranstaltung live mitzuerleben.

Valeriia wird in diesem Jahr erstmals bei den Meisterschaften (damit sind unter anderem Kreismeisterschaften, Landesmeisterschaften und Deutsche Meisterschaften mitgemeint) für den SSV Leingarten starten. Sie wurde für die Disziplinen Luftgewehr, KK liegend, KK 3×20 und KK 100m angemeldet. Ulrich ist gespannt auf das Ergebnis, da er sie bisher nur vom Luftgewehrschießen kennt. Ein KK-Gewehr bekommt sie von ihm leihweise zum Trainieren, da sie selbst keines besitzt.

Interview mit Valeriia – „Im Verein wurde ich herzlich aufgenommen“

Valeriias Geschichte und Erfahrungen hat uns dazu inspiriert, die 23-Jährige zu interviewen. Die sprachliche Barriere hat uns nicht daran gehindert, schließlich gibt es verschiedene Arten der Kommunikation. Valeriia beherrscht neben der  Gebärdensprache und Ukrainisch auch Englisch. In einem schriftlichen Interview erzählt Valeriia aus ihrem sportlichen Leben, ihre Erfahrung im Vereinsleben in Deutschland und offenbart ihre Ziele und Wünsche für die Zukunft. Ihre Antworten haben wir für Sie vom Englischen ins Deutsche übersetzt. Valeriia, was machst du beruflich? Im Jahr 2022 habe ich meinen Abschluss in Informatik in der Ukraine gemacht. Doch durch den beginnenden Krieg in meinem Land konnte ich keine Berufserfahrung mehr in diesem Bereich sammeln. Seit ich in Deutschland lebe, besuche ich Deutschkurse für Gehörlose in Heidelberg.

Was sind deine Hobbys?

Ich habe eine Leidenschaft fürs Kochen und probiere gerne neue
Rezepte aus. Außerdem habe ich Spaß am Autofahren. In meinem
Leben gibt es auch eine besondere Katze namens Mila, die
ich über alles liebe.

Seit wann bist du Mitglied im Verein SSV Leingarten?

Seit meinem Umzug von Ulm nach Heilbronn im Oktober 2023
bin ich Mitglied im Verein SSV Leingarten.

Was sind deine größten Erfolge?

In der Ukraine begann ich 2021 mit dem Gewehrschießen. Bei
der letzten Europameisterschaft der Gehörlösen 2023 in Poing bei
München nahm ich als Mitglied des Nationalteams der Ukraine
teil und habe den fünften Platz im Einzelwettkampf erreicht. Beim
Mix-Wettkampf habe ich den dritten Platz bekommen und den
Standard „Master of Sports International Class“ erfüllt.

Gibt es Momente, wo du an deine Grenzen stößt, zum Beispiel
in Hinblick auf die Sprachbarriere?

Selbstverständlich ist das schwer für mich in einem anderen Land.
Ich habe bisher nicht so viele Deutschkenntnisse und verstehe noch
nicht alles. Aber ich lebe hier mit meinen Eltern und es ist so einfacher
für uns, uns gemeinsam anzupassen. Sie helfen und unterstützen
mich jederzeit. Bislang kommuniziere ich per Handy-App.

Wie sieht dein (sportlicher) Alltag aus?

Sport liegt mir am Herzen, und ich habe erkannt, dass es trotz meiner
Gehörlosigkeit eine besondere Gelegenheit für eine sportliche
Karriere darstellt. Nach meinem Unterricht in Heidelberg komme ich
nach Heilbronn zurück und freue mich auf das Training im Verein.

Was ist deine Sichtweise auf das Thema „Inklusion“ und Behinderungen
im Sport?

Ich glaube daran, dass jeder Mensch mit Behinderung das Recht
hat, Entscheidung zu treffen, auch im Sport. Ich bin beispielsweise
gehörlos, aber in meinem Verein fühle ich mich nicht eingeschränkt.
Ich fühle mich bei meinen Trainingssitzungen wohl und habe keine
Kommunikationsprobleme.

Gibt es etwas, was du am Umgang mit Menschen, Trainer
und Sportler mit Behinderungen ändern würdest?

glaube, dass es mir noch schwerfällt, diese Frage zu beantworten.
Es ist schwer zu bestimmen, was konkret verändert werden
kann. Es könnte sein, dass ich mich im neuen Land diesbezüglich
noch nicht so gut auskenne.

Was hat dich dazu motiviert, für die Nationalmannschaft
anzutreten?

Wie kann es denn anders sein? Ich bin ukrainische Staatsbürgerin
und mein Trainer hat mich zur ukrainischen Nationalmannschaft
eingeladen, was ich selbstverständlich angenommen habe.

Welche Disziplinen schießt du? Was ist deine Lieblingsdisziplin?

Ich schieße 10m und 50m KK-Dreistellung. Die 50m aus der Liegend-
Disziplin mag ich am liebsten.

Wie beeinflusst deine Behinderung deine sportlichen Erfahrungen
und welche Anpassungstechniken benötigst du?

Im Schießsport benötige ich keinerlei besondere Ausrüstungen
oder Anpassungstechniken. Meine Behinderung hindert mich
nicht am Trainieren.

Wie sieht deine Trainingsroutine aus? Wie bereitest du dich
auf Wettkämpfe vor?

Ich trainiere dreimal in der Woche. Im Verein werde ich von Ulrich
Luithle betreut, er ist wie ein Personal Trainer für mich. Ich bin sehr
dankbar für seine Hilfe und seinen Ratschlägen. Es ist ein großer
Erfolg für mich, jemanden in Deutschland zu treffen, der sich
dazu entschieden hat, mit mir zu trainieren und seine sportlichen
Kenntnisse an mich weiterzugeben. Und es ist besonders toll zu
wissen, dass Ulrich Luithle sich von meiner Behinderung nicht einschüchtern
lässt. Zusammen haben wir einen Weg gefunden, zu
kommunizieren und uns zu verstehen.

Hast du bestimmte Vorbilder, auf die du hinaufschaust?

Ich wertschätze alle Sportler, die eine erfolgreiche Sportkarrieren
haben. Das hat mich zum Sport motiviert. Für mich sind das Menschen
mit einem starken Willen zu gewinnen.

Wie ist die Kommunikation innerhalb des Teams? Wie unterstützen
dich deine Teamkollegen und dein Sportverein?

Die Kommunikation im Team ist kein Problem. Ich denke, wir
pflegen eine freundliche Beziehung zueinander. Im Verein wurde
ich herzlich aufgenommen. Hier wurden mir alle Bedingungen für
das Training erklärt und zur Verfügung gestellt. Als ich von der
Europameisterschaft zurück ins Training kam, war ich überrascht,
denn das gesamte Team empfing mich mit Applaus in Gebärdensprache.
Es war wirklich sehr schön und unerwartet. Ich werde
mich immer an diesen Moment erinnern.

Welche Ziele hast du für deine sportliche Karriere und wie
planst du, diese zu erreichen?

Mein großes Ziel ist die Teilnahme an der Weltmeisterschaft der
Gehörlosen, die 2024 in Deutschland stattfinden wird. Ich habe
große Hoffnungen auf Erfolg und möchte gerne vorne mit dabei
sein. Und natürlich würde ich gerne bei den Olympischen Spielen
teilnehmen. Um dies zu tun, muss ich hart und konstant trainieren.
Es ist wirklich gut, erstklassige Unterstützung vom Verein zu
erhalten. Zudem stehe ich immer in Kontakt mit meinem Trainer
in der Ukraine. Mit ihm diskutiere ich mein Training, unsere Pläne
und wir beraten uns.

Gibt es besondere Herausforderungen oder Erfahrungen,
die du managen musstest aufgrund deiner Behinderung?

Wenn du dich während des Trainings oder Wettkampf in einer bestimmten
Position befindest, musst du fokussiert und konzentriert
bleiben. Nicht-gehörlose Sportler sagen, dass fremde Geräusche es
schwer machen, sich zu konzentrieren. Da ich nicht hören kann,
werde ich nicht so schnell von allem abgelenkt. Vielleicht ist mir
das eine Hilfe.

Welche Botschaft möchtest du anderen Menschen mit Behinderung
geben?

Sei ehrgeizig. Hab keine Angst davor, neues auszuprobieren oder
Fehler zu machen. Wir sind nicht allein, es gibt immer Hilfe. Du
musst kontaktfreudig sein und so wirst du definitiv Freunde finden,
die dir helfen werden.

Was sind deine persönlichen Ziele?

Ich lerne Deutsch und treibe Sport, das sind für mich die wichtigsten
Aktivitäten. Wie jeder Mensch träume ich auch davon, eine Familie
zu gründen, meine sportlichen Aktivitäten fortsetzen zu können und
neue Erfolge zu erreichen.

Valeriia beim Training im SSV Leingarten.
(Fotos: Ulrich Lutihle)

Ulrich Luithle

Wir bedanken uns bei Valeriia für die Zeit, die sie sich für das Interview genommen hat und wünschen ihr alles Gute für ihren weiteren sportlichen Weg hier in Deutschland.

Der SSV Leingarten bittet um Unterstützung

Der SSV Leingarten benötigt dringend Unterstützung in Form sportlicher
Förderung, da Valeriia keine Einkünfte hat. Aus diesem Grund
würde sich der Verein freuen, wenn sich interessierte Verbände oder
potenzielle Sponsoren melden würden, um einer Unterstützung in
Form von neuer Schießkleidung zu bieten. Ulrich unterstützt Valeriia
soweit es geht, jedoch ist dies bei ihm nur begrenzt möglich.
„Im Bereich Munition versuche ich zu helfen, auch ein KK-Gewehr
für die Vorbereitung zur WM steht zur Verfügung.“ Er würde es
deshalb schön finden, wenn man in diesem Bereich noch etwas
Unterstützung finden würde, um ihre sportlichen Ziele zu erreichen.

Schießsport ist facettenreich. Im Schützenverein trainieren Sportler
mit ihren eigenen, besonderen Geschichten. Und die gute Betreuung
und Unterstützung von Valeriia zeigt, dass es im Sport trotz
Behinderung und sprachlicher Barrieren, keine Hindernisse gibt. Die
ambitionierte Gewehrschützin ist ein Beispiel dafür, wie man nicht
nur Inklusion, sondern auch Integration im Verein vorleben kann.
Ein herzlicher Dank geht an Ingo Rath, Ulrich Luithle und Valeriia
Maloshky für die Bereitstellung der Informationen und Bilder. (tc)